Aktuelles
Religionsunterricht in Österreich
(Stellungnahme der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich)
Ja zu konstruktiver Kritik - Nein zu Diffamierung Im Schlechten liegt auch
das Gute. Angenehm kann für alle Beteiligten das Ergebnis einer der breiten
Öffentlichkeit bisher nur in Auszügen bekannten Studie, bei der islamische
Religionslehrer befragt wurden, gewiss nicht sein genauso wenig der
skandalheischende Umgang mancher Medien damit. In der Gemeinschaft ist die Betroffenheit
groß. Nicht nur die Lehrerschaft fühlt sich an den Pranger gestellt. Generell wächst
die Sorge, negativen Stereotypen und Ängsten gegen Muslime werde in einer Weise Nahrung
gegeben, dass ernste Auswirkungen auf das gesellschaftliche Klima in Österreich die Folge
sind. Nun gilt es gerade in diesen Turbulenzen einen womöglich noch zielsichereren Kurs
für die Zukunft zu finden. Durch die Debatte der letzten Tage aufgeworfene Fragen sind
ernst zu nehmen.
So wie die Islamische Glaubensgemeinschaft in den vergangenen Jahren
erfolgreich einen Schwerpunkt setzte, das Bewusstsein zu fördern, dass es absolut
vereinbar ist, sich gleichzeitig als Muslim und als Österreicher zu fühlen und Werte wie
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus und Menschenrechten zu bejahen und zu leben,
muss es zutiefst betroffen machen, wenn gerade bei manchen möglichen Multiplikatorinnen
und Multiplikatoren dieses Gedankens anscheinend noch Nachholbedarf besteht. Von der
Islamischen Glaubensgemeinschaft abgehaltene Imamekonferenzen hatten die Vereinbarkeit
einer Identität als Muslim und Europäer theologisch begründet ausgeführt und
nachhaltig zur Bewusstseinsbildung beigetragen.
Jetzt gilt es sachlich, nüchtern und fair eine Analyse der kompletten
Studie vorzunehmen, um daraus Schlüsse für künftiges Handeln zu ziehen. Diese werden in
zwei wesentliche Richtungen gehen: Aufklärung und noch mehr Präsenz der Fachinspektoren
in Bezug auf den konkreten Unterricht, die ja nicht nur für Administratives zuständig
sind, sondern auch bei Inhalten und Stil für Qualität zu sorgen haben. Schon sei einigen
Wochen steht fest, dass Themenschwerpunkte der Lehrerfortbildung um die Begriffe
Demokratie und Menschenrechte kreisen werden.
Festzuhalten ist, dass die Studie mit Zustimmung der Islamischen
Glaubensgemeinschaft erfolgte. Die Fragebögen wurden bei einer Lehrerversammlung im
Sommer 2007 verteilt. In der Selbstverständlichkeit die Freiheit der Wissenschaft zu
respektieren war rückblickend verabsäumt worden, in die Formulierung der Fragestellung
einzugreifen. Es hätte auffallen müssen, dass irritierende Wendungen darunter waren, die
suggestiv eine Antwort vorgeben was wohl auch nicht im Sinne eines fundierten
Ergebnisses sein kann. Wenn bei den Fragen nach Demokratie und Menschenrechten der
Anschein erweckt wird, dabei handle es sich um Gegensätze zum Islam, ist dies
problematisch. Werden diese als a priori unvereinbar mit dem Islam dargestellt, mag dies
zur negativen Antwort verleiten. Bei einer klaren Formulierung wie: Sind Islam und
Demokratie vereinbar? wäre ein anderes Ergebnis zu erwarten gewesen. Dann steht zu
vermuten, dass nicht rund 78%, sondern an die 100 % die Demokratie bejaht hätten.
Eine ständige Qualitätssicherung und -steigerung des islamischen
Religionsunterrichtes ist seit Jahren nicht nur ein Anliegen der islamischen
Glaubensgemeinschaft, sondern hier werden kontinuierlich wichtige Maßnahmen gesetzt. Dazu
gehören an erster Stelle die Schaffung adäquater Bildungseinrichtungen für
Religionslehrer: die IRPA für die Ausbildung, das IHL für die Fortbildung bereits in
Dienst stehender Lehrer und die Islamische Religionspädagogik an der Universität Wien.
Im Auswahlverfahren der Lehrer ist eine strukturierte Aufnahmsprüfung generell Pflicht,
auch für Absolventen der IRPA. Die Erhöhung der Zahl der Fachinspektoren von einer
Person auf inzwischen acht brachte Verbesserungen für den Unterrichtsstil. Heute werden
zusätzlich zu den Büchern Arbeitsblätter und anderes didaktische Material eingesetzt.
Methodenvielfalt ersetzt den früher oft üblichen Frontalunterricht und schafft ein
Klima, in dem sich die Schüler zu Mündigkeit entwickeln können. Die Ziele des
Religionsunterrichtes, Orientierung gerade in der Frage der Identität zu geben, werden
damit besser umgesetzt. (siehe auch die unten angeführten Ziele des
Religionsunterrichtes, bzw. http://www.derislam.at/islam.php?name=Themen&pa=showpage&pid=154
) Stundenverlaufspläne sind an Stelle der bloßen Themenvorgabe durch den Lehrplan
getreten und geben Unterrichtenden praktische Anleitung. Diese fließen auch in das
Großprojekt einer Neuformulierung des Lehrplans ein.
Eine konkrete Beschuldigung gegen uns namentlich bekannte Personen liegt
nicht vor. In der Studie geht es lediglich um eine statistische Erhebung. Wenn eine
konkrete Person in der Klasse je Schülerinnen und Schüler anti-demokratisch oder die
Prinzipien des österreichischen Rechtsstaates angreifend zu beeinflussen suchte, so
würde dies so erwiesen geahndet.
Der islamische Religionsunterricht stellt ein wesentliches Mittel im Sinne der Integration
in Österreich lebender Muslime dar. Dieser großen Chance und Verantwortung gewissenhaft
nachzukommen und dabei Bereitschaft zu ständigen Verbesserungen zu haben, muss einen
selbstverständlichen Arbeitsauftrag der Islamischen Glaubensgemeinschaft bilden.
Wien, am 29. Jänner 2009
Anas Schakfeh, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft
|